Osteopathische Behandlung in der Schwangerschaft

Osteopathische Behandlung in der Schwangerschaft

Gesundheitliche Begleitung in der Schwangerschaft ist grundsätzlich durch Gynäkologen und Hebammen gewährleistet. Diese überwachen durch Vorsorgeuntersuchungen den Verlauf der Schwangerschaft und bieten Hilfe bei Beschwerden und Komplikationen. Auch viele OsteopathInnen bieten Frauen eine begleitende Behandlung in der Schwangerschaft an (4).
Ein Blick zu den Ursprüngen der Osteopathie
Die Osteopathie bezog sich als ganzheitliche Heilmethode schon seit Beginn auch auf die besonderen Beschwerden von Frauen und die Geburtshilfe. So wurde die American School of Osteopathy (ASO) mit dem Ziel begründet, “die bestehenden Systeme der Chirurgie, der Geburtshilfe und Behandlung von Krankheiten im Allgemeinen zu verbessern” (Artikel III der Gründungsschrift der ASO 1984, zit. nach (1)).
Andrew Taylor Still förderte außerdem die osteopathische Ausbildung von Frauen als gleichberechtigte Studentinnen neben Männern, was im Vergleich zu anderen Einrichtungen zu seiner Zeit noch sehr unüblich war. Er stellte weiterhin im Rahmen der Ausbildung keinen Unterschied in Bezug auf ihre Leistungen fest. Er war der Meinung, dass Frauen natürlicherweise eine Begabung zur Behandlung von Frauenleiden und in der Geburtshilfe besäßen (1).
Im Jahr 1955 beschrieb Denslow (2) auf Basis seiner praktischen Erfahrung, dass bestehende Dysfunktionen (“Läsionen”) sich in der Schwangerschaft verschlimmern können. Weiterhin beobachtete er, dass akute Beschwerden bei schwangeren Frauen effektiver und schneller behandelt werden können, als bei nicht-schwangeren Frauen.
Was sind häufige Beschwerden in der Schwangerschaft?
Gerade innerhalb der ersten drei Monate (1. Trimester) leiden viele Schwangere unter Übelkeit und Erbrechen sowie starker Müdigkeit. Dies ist auf die Hormonumstellung des Körpers zurückzuführen, denn er bereitet sich auf die Versorgung des Kindes vor. In der Regel gehen diese Beschwerden nach dem 1. Trimester zurück. Halten sie an, können sie zu einer Gewichtsabnahme und Flüssigkeitsmangel führen, wodurch Mutter und Kind gefährdet werden. Deshalb sollte in diesem Fall ärztliche Unterstützung gesucht werden.
Die Hormonumstellung bewirkt auch ein Auflockern von Bändern und Sehnen, wofür das Hormon Relaxin verantwortlich ist. Als Vorbereitung auf die Geburt ist dies eine optimale Strategie, damit sich der Beckenboden unter der Geburt besser dehnen kann. Es kann aber wiederum auch zu muskulären Verspannungen führen, die Rückenschmerzen begünstigen. Weiterhin stellt das zunehmende Gewicht besonders im 3. Trimester eine große Belastung für den Rücken dar. Durch den wachsenden Bauch verändert sich die Statik des Körpers. Viele Frauen entwickeln ein Hohlkreuz (Hyperlordose in der Lendenwirbelsäule), was wiederum zu Rückenschmerzen führen kann.
Was Denslow Mitte der 1950er beschrieb (2), gilt auch heute noch z.B. für Rückenschmerzen. Bestanden diese schon vor der Schwangerschaft, z.B. aufgrund von Fehlhaltungen, ist es wahrscheinlich, dass sie sich in der Schwangerschaft verstärken (3).
Welches Potential bietet die Osteopathie heute?
Was sagt die Forschung?
Italienische Forscher um Nuria Ruffini haben vor kurzem in einer systematischen Übersichtsarbeit die Ergebnisse von Studien zusammengefasst, die die Wirksamkeit osteopathischer Behandlungen in Bezug auf verschiedene gynäkologische Beschwerden untersuchten (4). Insgesamt konnten sie 24 Studien identifizieren, davon untersuchten acht die Auswirkungen auf schwangerschaftsbezogene Faktoren, wie Lebensqualität, Schmerzreduktion, Herzratenvariabilität und allgemeine “Schwangerschaftsbeschwerden”. Insgesamt zeigte sich ein positiver Einfluss osteopathischer Behandlungen (in der Studie als OMT – osteopathic manipulative treatment – bezeichnet) für folgende spezifische Zielparameter: Beeinträchtigung, Schmerz und vegetative Funktionen. Weiterhin zeigten einige Studien ein reduziertes Risiko für mekoniumhaltiges Fruchtwasser – ein Indikator dafür, dass das Baby großem Stress ausgesetzt ist – sowie seltenere Frühgeburten und selteneren Einsatz der Geburtszange. Weitere vier Studien untersuchten den Einfluss auf Faktoren unter der Geburt, wie Schmerz und Einsatz von Medikamenten. Diese fielen bei osteopathisch behandelten Frauen insgesamt geringer aus. Weiterhin wurden signifikant geringere Kaiserschnittraten, weniger Dammrisse und –schnitte berichtet. Zusammenfassend weisen die Autoren darauf hin, dass die Effektivität osteopathischer Behandlung nur bei Rückenschmerzen in der Schwangerschaft nachgewiesen ist. In Bezug auf andere Zielgrößen ist die Aussagekraft der Studien nicht eindeutig, zeigt aber positive Tendenzen. Dies ist unter anderem auf die geringe Anzahl der Studien zu einem bestimmten Thema und die niedrigen Patientenzahlen zurückzuführen. Weiterhin sei zu beachten, dass zehn der 24 Studien unveröffentlichte Masterarbeiten sind, die Qualität also nicht extern geprüft wurde (peer review). Von den acht Studien zu Schwangerschaftsoutcomes, wurden vier veröffentlicht, von den vier Studien zu Geburtsoutcomes waren es drei. Insgesamt schließen die Autoren aus ihrer Untersuchung, dass eine osteopathische Behandlung als sinnvolle Ergänzung in der Gynäkologie und Geburtshilfe betrachtet werden kann.
In einigen osteopathischen Lehrbüchern und Seminaren wird von einer Behandlung schwangerer Frauen im ersten und dritten Trimester abgeraten. Dies wird in der Regal mit einer rechtlichen Absicherung des Therapeuten begründet, da in den ersten 12 Wochen einer Schwangerschaft das Risiko eines Spontanabortes insgesamt erhöht ist und die Beteiligung des Osteopathen daran ausgeschlossen sein soll. Im dritten Trimester besteht allgemein das Risiko einer vorzeitigen Wehentätigkeit, womit der Therapeut ebenfalls nicht in Verbindung gebracht werden will. Wie bereits weiter oben begründet, kann eine osteopathische Behandlung die Schwangere jedoch in allen drei Trimestern unterstützen.  Ergänzend hierzu haben wir die Expertise von unserer Osteopathiestudentin und Hebamme Sigrid Tönnies und von unserer ehemaligen Studentin und aktuellen Dozentin Christine Lohr (MSc Ost.) genutzt, die wir in separaten Beiträgen vorstellen werden.
 
Referenzen:
(1) Stark, J. (2010). Still und die gesundheitlichen Belange der Frau. In: Riedl, K.H., Schleupen, A. (Hrsg.): Osteopathie in der Frauenheilkunde. 1. Auflage. Urban & Fischer Verlag, München.
(2) Denslow, J.S. (1955). The ostepathic lesion in the obstetric patient mechanisms and clinical aspects. Journal of the American Osteopathic Association 55, 146-150.
(3) Pohl, H. (2013). Unter Spannung. Chronische Schmerzen bei Schwangeren und Wöchnerinnen. Medizin & Wissenschaft 9, 64-68.
(4) Ruffini, N., D’Alessandro, G., Cardinali, L., Frondaroli, F., Cerritelli, F. (2016). Osteopathic manipulative treatment in gynecology and obstetrics: a systematic review. Complementary Therapies in Medicine 26, 72-78.
 
 

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